Glaubensgemeinschaften bleiben außen vor

Zu oft werden Glaubensgemeinschaften in ihrer Relevanz für die  Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs = Sustainable Development Goals) unterschätzt. Die Diskussionen am Rande des diesjährigen Hochrangigen Politischen Forum der Vereinten Nationen (HLPF = United Nations High Level Political Forum) im Juli untermauern diese Feststellung. Beim HLFP versammeln sich jährlich Vertreter der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (VN. Ziel ist es, die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu überprüfen. Das HLFP ist die wichtigste zwischenstaatliche VN-Plattform für nachhaltige Entwicklung, die auch die Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglicht.

Erhebliche Lücken im Bericht zu SDG 6

Auf einem Side-Event über die Beiträge von Glaubensgemeinschaften zu Nachhaltigkeitsziel 6, formulierte Dinesh Suna, der Koordinator des Ökumenischen Wassernetzwerkes des Ökumenischen Rates der Kirchen, was viele religiöse Akteure als Herausforderung sehen: „Die Multi-Stakeholder-Beteiligung lässt die Glaubensgemeinschaften, die Treiber des Wandels sind, außen vor. Das betonte Dr. David Nabarro, Sonderberater des UN-Generalsekretärs für die Agenda 2030“[1]. Daher wies Dinesh Suna darauf hin, dass der Bericht zu SDG 6 erhebliche Lücken aufweist. Insbesondere erfasst er den Bezug auf den Beitrag der Glaubensgemeinschaften zu diesem Ziel nicht ausreichend.

SDG 6 bezieht sich auf den Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen. Auch ein solides Management von Süßwasserökosystemen bis 2030 ist darunter miteingeschlossen. Dr. David Nabarro hatte zuvor die besonderen Merkmale religiöser Organisationen hervorgehoben, die es ihnen ermöglichen, zur Förderung der SDGs beizutragen. Beispielsweise verfügen religiöse Organisationen über die Reichweite, Menschen für nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren. Zudem besitzen sie Fachwissen über Bereitstellung von Dienstleistungen für die am schwersten zu erreichenden Menschen. Dies steht im Einklang mit der Verpflichtung der Agenda 2030, „niemanden zurückzulassen“ [2].

Die Stärken glaubensbasierter Netzwerke

Andere Organisationen identifizieren die gleichen komparativen Vorteile von Glaubensgemeinschaften und die Notwendigkeit verstärkter Kooperation seitens der Regierungen. In einer offiziellen Erklärung, die sie anlässlich des HLPF 2018 veröffentlichten, betonte Caritas Internationalis: „Zivilgesellschaftliche und glaubensbasierte Netzwerke haben oft einen besseren Zugang zu lokalen Gemeinschaften. Denn sie haben über lange Zeit Vertrauen aufgebaut. Diese tief verwurzelten Verbindungen anerkennend, sollten Regierungen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten. So können sie nationale Indikatoren effektiver entwickeln, Daten sammeln und vulnerable Gruppen erreichen. Zudem sollten glaubensbasierte Organisationen für ihre weitreichenden Aktivitäten auf der Graswurzel-Ebene anerkannt werden. Das Forum bietet Regierungen die Möglichkeit, zivilgesellschaftliche Gruppen und glaubensbasierte Organisationen auf sinnvolle Art und Weise einzubeziehen“[3]. Caritas Internationalis forderte die Regierungen auf, nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Weiterführend wurde deutlich gemacht, dass Glaubensgemeinschaften nicht ignoriert werden dürfen angesichts ihrer Relevanz für die Verwirklichung der SDGs für Gesellschaften weltweit.

Gründe für die Vernachlässigung religiöser Gruppen

Trotz ihrer einzigartigen Eigenschaften und des entsprechenden Potenzials, als Treiber für nachhaltige Entwicklung zu fungieren, werden religiöse Gemeinschaften oft ignoriert oder vernachlässigt. Das liegt daran, dass die Treiber religiöse Gemeinschaften häufig als Hindernisse für soziale Entwicklung wahrnehmen. Und da ist etwas Wahres dran. Je nach Kontext können religiöse Gruppen zu Extremismus, Diskriminierung und sogar Gewalt anstiften. Einige Religionsgemeinschaften missachten offen die Menschenrechte, beispielsweise die Menschenrechte von Minderheiten oder Frauen.

Ein wertvoller Weg in die Zukunft

Ohne die ambivalente Natur von Religion außer Acht zu lassen, ist die Zusammenarbeit mit den religiösen Gruppen, die sich für nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit einsetzen, ein wertvoller Weg in die Zukunft. Denn ein bedeutender Fortschritt in der Umsetzung der Agenda 2030 wird nur möglich sein, wenn Regierungen auf der ganzen Welt mit der ganzen Vielfalt von Akteuren und Wirkungskanälen kooperieren. Denn alle Akteure, die für das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung verfügbar sind, sind ein wertvoller Beitrag.

[1] https://www.oikoumene.org/en/press-centre/news/water-for-all-wcc-panel-reaffirms-faith-communities-contribution
[2] Zitiert in Tveit, Olav Fykse: The Role of Religion in Sustainable Development and Peace, Speech held at the Conference Partners for Change: Religions and the 2030 Agenda for Sustainable Development, 17-18 February 2016, Berlin, in: https://www.oikoumene.org/en/resources/documents/general-secretary/speeches/the-role-of-religion-in-sustainable-development-and-peace, p. 3.
[3] https://www.caritas.org/2018/07/caritas-calls-on-governments-to-push-harder-on-sustainable-development/